Gedanken zu Ramadan

Wie vereint Ahad als gläubiger Muslim den heiligen Monat Ramadan mit seinem Vollzeitjob? Mit uns teilt er seine Erfahrungen und erklärt, warum Ramadan mehr ist, der Verzicht auf Essen und Trinken.

Wie sah Dein bisheriger Karriereweg aus?

Mein bisheriger Weg war sehr banklastig. Ich habe meinen Master an der Goethe Business School in Frankfurt gemacht und auch schon währenddessen für die Commerzbank gearbeitet. Nach ca. 8 Jahren im Bereich Corporate Finance der Commerzbank habe ich mich zu einer relativ unsicheren Zeit zu Beginn der Lockdown-Phasen während Covid entschieden, die Bank zu wechseln und zur Standard Chartered zu gehen. Nach 2,5 Jahren bin ich dann im Dezember 2022 in das Debt & Capital Advisory Team der ING gewechselt. Neben meinem Job in der Bank habe ich noch ein Fintech gegründet.  

Wie würdest Du in einfachen Worten beschreiben, was Deine Aufgaben bei uns im Firmenkundengeschäft sind?

Ich erzähle unseren Kunden, wie sie aus viel Geld noch mehr Geld machen können. Außerdem erkläre ich ihnen, wie sinnvoll der Kauf weiterer Unternehmen sein kann und wie sie sich diesen Kauf von Banken finanzieren lassen können. 

Was wolltest Du als Kind werden und warum bist Du dann Banker geworden?

Ich kann mich noch erinnern, in der Schule selbstbewusst herumerzählt zu haben, dass ich sicherlich niemals derjenige sein werde, der morgens ins Büro kommt und sagt: „Chef, ich habe die Statistiken und die Präsentation fertig.“ So viel dazu J So sah nämlich ungefähr mein kompletter Alltag als Junior Banker aus. Wenn ich nicht Banker geworden wäre, wäre ich sicherlich in Richtung Human Rights oder in Richtung Theologie gegangen. 

Wie beeinflusst der Fastenmonat Ramadan Deinen Arbeitsalltag?

Der Ramadan gibt mir besondere Kraft. Für Muslime ist es keinerlei „Last“, wie Leute oft denken. Nach zwei bis drei Tagen der körperlichen Anpassung, kann ich mich viel besser konzentrieren, bin gesammelter und vor allem zufriedener. An normalen Tagen ist man schnell unruhig und genervt, wenn man nichts gegessen oder getrunken hat. Man ist reizbarer. Im Ramadan hingegen schaffe ich es, unter den Fastenbedingungen ganz entspannt zu sein und selbst Druck auf der Arbeit lässt einen nicht in Stress geraten. Wenn der Ramadan endet, vermisse ich die Zeit extrem. Ich versuche alle Themen, die mir als schwierig erscheinen, im Ramadan zu bewerkstelligen, weil ich mich in diesen Tagen besonders von Gottes Hilfe begleitet fühle.    

Wie reagieren Deine Kolleg*innen, wenn Du ihnen erzählst, dass Du fastest? Wie könnten Teammitglieder Dich und andere gläubige Muslime während des Ramadans noch besser unterstützen? 

Die meisten kennen den Ramadan und die Bedeutung für Muslime und bringen Respekt entgegen. Oft fehlt aber auch das wirkliche Wissen über den Ramadan, dann kläre ich auf. Die meisten denken, dass es nur darum geht, nichts zu essen und nichts zu trinken, aber das ist nur ein Bruchteil des Ramadans, das Offensichtliche quasi. Aus Respekt vor dem Monat Ramadan ist es hilfreich, wenn Kolleginnen und Kollegen vor dem Fastenden keine vulgäre Sprache nutzen, fluchen oder lästern. Der Fastende ist stark mit seiner Läuterung, Reflektion und mit Gott beschäftigt und versucht sich von allerlei Schlechtem fernzuhalten. Die meisten Kolleginnen und Kollegen versuchen, nicht vor mir zu essen oder zu trinken oder über Essen zu sprechen. Nicht dass der Fastende davon schwach wird, aber aus Respekt davor, dass es jemanden gibt der fastet.  

Wir haben bei der ING ja die Möglichkeit unserer Arbeitszeit recht flexibel zu gestalten. Ist das für Dich im Fastenmonat hilfreich? Wie ändert sich Dein Arbeitsalltag während Ramadan? 

Das ist absolut hilfreich. Früher als es noch kein Homeoffice gab, habe ich das auch geschafft, allerdings ist es natürlich aus vielerlei Gründen einfacher. Ich muss nicht ins Auto gehen, um das Gebet zu verrichten. Mein Arbeitsalltag ändert sich insofern, dass ich mittags spazieren gehe oder durcharbeite, keine Mittags- oder Kaffeepause mache. Dadurch spare ich enorm Zeit und merke, wieviel Zeit wir eigentlich am Tag mit Essen und Kaffeetrinken verbringen. Üblicherweise richten wir unseren Tag nach den Essenszeiten aus. Muslime richten ihren Tag idealerweise nach den Gebetszeiten aus und im Ramadan nochmals verstärkt.  

Welche Strategien und Arbeitsweisen helfen Dir in dieser Zeit, sowohl Deinen beruflichen als auch religiösen Pflichten gerecht zu werden? Hast Du Tipps für andere, die in der gleichen Situation sind? 

Ich trage das Fasten und den Ramadan nicht auf dem Rücken meines Arbeitgebers aus, sondern bin ehrgeizig genug, beides bestmöglich zu bewerkstelligen. So war das schon immer, auch bei den anderen Banken. Ich strukturiere meinen Tag stärker, versuche den Workload auf den Morgen zu verlagern und lege Calls eher auf den Nachmittag, sofern möglich. Bei dem Fasten in den Sommermonaten ist das etwas schwerer, aber aktuell mit dem frühen Sonnenuntergang ist es eigentlich nur so, als würde ich eine Mahlzeit auslassen.  

Was würdest Du Leuten sagen, die Fasten gegenüber skeptisch sind oder befürchten, ihre Produktivität am Arbeitsplatz würde nachlassen?

Ich finde, dass wir nur über etwas urteilen können, wenn wir es selbst probiert und es vollkommen verstanden haben. Das gleiche Prinzip gilt bei Kundenterminen, vor denen wir uns akribisch vorbereiten und intensiv mit den Themen auseinandersetzen. So ist das auch mit dem Ramadan. Viele reduzieren ihn auf das Essen und Trinken. Eine typische Reaktion ist die Verwunderung und bisweilen sogar Unverständnis der Menschen, wenn sie erfahren, dass während des Ramadans von Sonnenaufgang bis -untergang nicht nur nichts gegessen, sondern auch nichts getrunken wird. Dabei zählt für den Fastenden die Absicht. Es stimmt nicht, dass der Ramadan sich nur auf das Hungern und Dursten bezieht. Das richtige Verständnis und das damit verbundene spirituelle Mindset sind essenziell. Das Fasten ist dafür da, Geist, Körper, Herz und Seele zu reinigen und an der spirituellen Entwicklung zu arbeiten. 

Das Fasten hat auch viele gesundheitliche Vorteile: Es beginnen verschiedene Heilungsprozesse im Körper, in den Zellen, die dazu führen, dass man vitaler ist. Die Leistung und Produktivität steigt. Ich bin mental fokussierter und lasse mich schwerer ablenken.  

Bei der ING ist uns Vielfalt und gegenseitige Akzeptanz wichtig. Wie können wir Deiner Meinung nach das Verständnis für religiöse Traditionen und Praktiken innerhalb unserer Teams noch mehr stärken?

Heutzutage wird der Religion nicht der Rang gewährt, der ihr meiner Meinung nach gebührt. Entsprechend ist es oft so, dass Menschen, die gläubig sind und sich an die Gebote ihrer Religion halten, als rückschrittlich angesehen werden und Menschen dem Glauben skeptisch gegenüberstehen, ohne sich wirklich damit auseinanderzusetzen. Sie übernehmen eine vorherrschende Meinung an bilden sich vorschnell ein Urteil. Menschen, die gläubig sind, müssen sich oft erklären. Es war für viele Menschen in meinem Arbeitsleben sehr verwunderlich, dass ich meine fünf Gebete am Tag einhalte und an Gott glaube.  
Ich denke, dass es generell hilfreich ist, Kolleginnen und Kollegen in ihrer Identität nicht unter Druck zu setzen, sondern vielmehr zu unterstützen. Keiner sollte seine Religion verstecken müssen.  

Gibt es noch etwas, das Du gern mit uns teilen würdest?

Meine Botschaft an die Fastenden ist, dass vor allem diejenigen unter ihnen, denen es gut geht, sich im Ramadan besonders den Armen aus ihrer Gegend annehmen sollen. Sie sollten sich nicht nur vergnügen, indem sie wohlhabende Leute zu ausufernden Iftar-Essen einladen, sondern auch Iftar-Empfänge für die Armen vorbereiten. 

Vielen Dank für die Möglichkeit, meine Gedanken über Arbeit und Ramadan offen zu legen. 😊  

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